Ganz automatisch ein Genie
Verena Kuni

from: verena@kuni.org
to: cornelia@snafu.de
subject: net.art.generator
generator, lat. erzeuger. gott als erbauer der welt und gott als menschenbildner. dem gleichnis vom deus artifex entspricht das seit der renaissance staendig wiederkehrende gleichnis vom kuenstler, der seine werke goettergleich schafft. diese funktion kurz zu umreissen, heisst sagen, dass die herausbildung des autonomen individuums als vergoettlichung des menschen gerechtfertigt wird, bis hin zu dem punkt, an dem solche individuen als homo creator, als unternehmer/kuenstler an die stelle der goetter bzw. gottes treten. in beiden gestalten verbindet sich der urspruengliche schoepfungsakt mit seiner unausbleiblichen folge, der abwandlung in ein serienprodukt. serielle prozesse aber sind kennzeichen der moderne.
kuenstler kaufen sich in der regel einen mac, wenn sie digital arbeiten wollen. als verlust kann gelten, wenn sich das widerstaendige material, an dem sich artistisches handeln herausgefordert sieht, in bildschirm-bilder verfluechtigt. netz.kunst jedoch funktioniert nur im netz und waehlt sich das netz oder den mythos des netzes zum thema. die idee ist fundamental, gleichwohl bleibt sie zweifelhaft ohne eine medienspezifische uebersetzung und ohne die partizipation anderer. wenn aber das ereignis in seiner reproduktionsform sozial wichtiger wird als in seiner originalform, dann muss das original sich nach seiner reproduktion richten. nichtsdestotrotz lassen sich alle netz.kunst-projekte auf einen ausgangspunkt zurueckverfolgen, anders gesagt: auf einen autor. der stillstand der welt in der fortdauernden wiederholung des immergleichen ist die garantie der unsterblichkeit ihrer ersten beweger. was sich dabei von der idee eines einzelnen kuenstlers ausgehend über die kollaboration vieler entwickelt, bleibt jedoch unberechenbar.
the essay you just have read is probably completely meaningless and was randomly generated by a text generatrix. to generate a piece of net.art follow this link: http://soundwarez.org/generator

"Der Text, den Sie gerade gelesen haben, ist möglicherweise vollkommen sinnlos und wurde von einer Textgeneratorin erstellt. Um ein "Netz.kunst.werk" zu generieren, folgen Sie bitte dem Link..." Nun: Die Empfehlung gilt. Der Text allerdings, der ihr vorangeht, dürfte auf den ersten Blick wenig sinnstiftend wirken - was doch ein bisschen irritieren mag, wenn man bedenkt, dass mittlerweile selbst von recht schlicht programmierten Generatoren weit mehr als die surreale Poesien sinnloser Silben- oder Wortketten erwartet werden darf: Veritable "Netz.Kunst" nämlich, von zeitloser Wahrheit, Schönheit und Güte.
Lag es also vielleicht am Ausgangsmaterial? Hoffentlich nicht: Denn tatsächlich ist die Ode auf den "Netz.kunst.generator" sogar nur halbautomatisch generiert - und zwar zum einen aus Texten, die sich recht ernsthaft und in redlichem Bemühen, Bedeutung zu erzeugen, mit dem Thema der Autorschaft und dem Genius des Künstlers befassen, und zum anderen aus ebensolchen, die der Kunst im Netz gewidmet sind. Für sich genommen, mögen alle diese Texte schlüssig argumentieren - unabhängig davon, ob man ihre Standpunkte teilt oder nicht. Dass sich diese Klarheit verliert, obwohl durchaus zentrale Argumente zitiert wurden, verdankt sich jedoch weniger blinder Willkür als vielmehr der Absicht, mittels Datenkompression auf Kompatibilitätsprobleme grundsätzlicherer Natur hinzuweisen: Solchen nämlich, die sich aufgrund der Strukturen des Betriebssystems Kunst und ihrer historischen Wurzeln dann ergeben, wenn auf ihm Programme laufen sollen, die auf bestimmte Utopien der Netzkultur im Allgemeinen aufsetzen - und ganz besonders solchen, die hier eine vollkommen neue Kunstform erblühen sehen wollen, in deren Rahmen anstelle des abgeschlossenen und von der Signatur des Künstlers als seine geniale Schöpfung legitimierten Kunstwerks auf einmal eine Art digitaler "sozialer Plastik" erscheinen soll. Immateriell und wie alles Geistige in der Kunst ins Transzendente lappend - aber trotzdem Teil der Popkultur; "interaktiv" natürlich (das ist ganz wichtig), offen und zugänglich - doch keineswegs trivial. Unendlich reproduzierbar - aber bitte trotzdem nicht nur originell, sondern auch irgendwie ein Original. Sowie selbstredend genial. Nur: Wenn jeder Mensch ein Netzkünstler sein soll, wie verkauft man sich dann als einzigartiger Artist?
Kurzum: Der kleine Text war das Resultat einer Kollision kursierender Datenströme, die bereits von anderen generiert worden waren. Zusammengetragen und -gesetzt von einer Generatorin, die in diesem Fall nicht "net.art" bzw. "Netz.Kunst", sondern einen Katalogbeitrag zum "net.art.generator" der Künstlerin Cornelia Sollfrank verfasste. *1 Ob die Regeln der Kunst, nach denen solche werkmonographischen Würdigungen verfasst zu werden pflegen, dabei gebrochen wurden, sei einmal dahin gestellt. Kryptische Wortketten, die schwer nach theoretischem Tiefgang ausschauen und dabei mit ein paar einschlägigen Schlüsselbegriffen winken, zählen eigentlich zum üblichen Beiwerk einer ordentlichen Monographie. Das einzige, was diesem Text allzu offenkundig fehlte, waren die obligatorischen Hinweise auf Leben und Weben der Künstlerin. Deren Absenz mag sich zwar mit Blick auf Thema und Funktionsweise der Arbeit erklären lassen, welche schließlich ebenso elegant wie anschaulich die Antwort auf die Frage nach der AutorInnen- bzw. KünstlerInnenschaft zunächst von der Künstlerin an die zum Mit-Kreieren Aufgerufenen und dann an das in Gang gesetzte Programm des "net.art.generators" weiterwandern ließ. Aber doch nur, um sie implizit an die Initiatorin dieses Vorgangs zurückgehen zu lassen: "A smart artist makes the machine do the work". Angesichts dieses, von Sollfrank lange Zeit im Signature-File ihrer eMails geführten Mottos bleibt - selbst wenn man die Auftraggeberschaft an die GeneatorInnen des Generators, also die beteiligten ProgrammiererInnen *2 mit einkalkuliert - am Ende das Primat der "Idee", des Konzepts. Und die Signatur der Künstlerin.
Was diese Bewegung bedeutet, lässt sich besser erfassen, wenn man den Kontext etwas näher ins Auge fasst, in dem sie erfolgt: Das Spannungsfeld, in dem die Debatten um die besagten Kompatibilitätsprobleme zwischen den Utopien der Netzkultur und den Realitäten des "Betriebssystems Kunst" geführt werden, die schon seit geraumer Zeit den Umgang mit dem Phänomen "net.art" bzw. "Netzkunst" prägen - und zwar auf Seiten der Produktion wie auch auf Seiten der Rezeption. Ein Feld mithin, dass sich längst als mal mehr, mal weniger "smarte" "Netz.Kunst.Geschichts.Generierungsmaschine", als denkbar produktiver "net.art.history.generator" also erwiesen hat. Auf diesen Kontext näher einzugehen, fehlt es hier an Raum, insofern kann an dieser Stelle nur kursorisch auf weiterführende Lektüren verwiesen werden. *3 Aber möglicherweise ist das auch ganz gut so. Schließlich soll das vorliegende Buch zunächst einmal eben das leisten, was eine "ordentliche Monographie" alter Schule verspricht: Nämlich selbst ein "(Netz.)Kunst.Geschichts.Generator" zu sein. Der Fokus liegt auf der Künstlerin und ihren Arbeiten, der Kontext kann in diesem Fall nur Rahmen im Rahmen sein. Eine Fortsetzung und Erweiterung dieses "Framing" wird man nachfolgenden Publikationen überlassen können. Und - davon ist auszugehen - auch Sollfrank selbst.


*1 Für die Publikation zur Ausstellung Serialität: Reihen und Netze, Städt. Galerie, Bremen 7. November - 5.Dezember 1999.
*2 Ryan Johnston (nag_01); Luka Frelih (nag_02); Barbara Thoens und Ralf Prehn (nag_03).
*3 Vgl. Verena Kuni, Der Widerspenstigen Zähmung. Webbasierte Kunst im etablierten Ausstellungsbetrieb, Kunst-Bulletin, Nr. 11, November 2001; Verena Kuni, Die Legende vom Netzkünstler, Borderline. Strategien und Taktiken für Kunst und soziale Praxis, Reader zum Kongress, Wiesbaden 2002; What is a net.artist? On the uses and disadvantages of the legend of the artist in the era of its techno-logical reproducibility, From Work to Word, hrsg. Doris Frohnapfel, Bergen/No & Köln 2002; Why have there been no great cyberfeminist net.artists?, Nutzen und Nachteil der Legende von der Cyberfeministischen Netzkünstlerin (im Tagungsband zur Kunsthistorikerinnen-Tagung 2002, hrsg. Susanne von Falkenhausen/Silke Förschler/Ingeborg Reichle/Bettina Uppenkamp, Marburg 2004).